Da gibt es in der Nähe vom belgischen Spa und damit auch unweit von Aachen das Manoir de Lébioles, ein ohne Zweifel sehr hübsches und gepflegtes Gebäude-Ensemble. Nennt sich „kleines Versailles der Ardennen“ und wurde als romantisches Hotel und Hideaway 2006 neu ins Leben gerufen von einer (jüngst in den Ruhestand entschwundenen) Aachenerin mit vielen, vielen Bekannten und darum eine Adresse, wo auch von hier viele „schon immer mal“ hinwollten.

Leider ist der Aufenthalt dort ziemlich kostspielig, weshalb wir uns auch erst zu unserer Silberhochzeit dort ein Wochenende gönnen wollten – und wir kommen gerade zurück, einen Tag früher als geplant, nach einer Nacht und einem Abendessen. Und das kam so:

Unser Zimmer war im zweiten Stock, erreichbar über ziemlich viel Treppe, am Ende war es dann eher ein Erklimmen der Dienstboten-Etage unter dem Dach als ein Versailles-Gefühl von „diskretem Luxus“, und der Mann musste sich an die vielen Schrägen erst gewöhnen mit seinen 1,90 m. Alles charmant, auch die zugigen Sprossenfenster, die künstlichen Rosenblätter auf dem Bett und die freistehende Wanne im großen Bad.

Doch das Bett ist niedrig, 50 cm höchstens, und die Matratze butterweich – sowas ist heute keine erwachsene Wirbelsäule mehr gewohnt und schon gar nicht die Klientel, auf die sich dieses Haus durch Anspruch und Preisgestaltung fokussiert. Und wer sich in ein solches Bettchen einmal legt, hat es schon aus rein gymnastischen Gründen schwer, wieder aufzustehen! Ich selbst hatte am Morgen Rückenschmerzen wie selten zuvor. Zwei Leute haben also schlecht bis gar nicht geschlafen…

Dem ging ein Abendessen voraus, auf das wir uns in kulinarischer Neugier sehr gefreut hatten. Leider wurden wir an einen Tisch gesetzt, der zwar sehr hübsch an einem großen Fenster stand, aber draußen war es ja schon dunkel und wir hatten keine Beleuchtung außer einer (!) Kerze, die nächste Deckenlampe war weit weg – es war uns also wegen Düsternis fast unmöglich, das Menü optisch zu genießen, zum Beispiel Nuancen zwischen hellen Cremes und Pürees zu unterscheiden. Ja, das war schon mal schade, denn es gab wirklich in jedem Gang einiges, das seiner ursprünglichen Form beraubt und kunstvoll neu arrangiert war. Die Bildbearbeitung bringt es zum Vorschein: ein Augenschmaus auf jeden Fall, das Ganze!

An der jeweils geringen Portionsgröße – trotzdem sind wir am Ende nicht hungrig vom Tisch aufgestanden – war vor allem schade, daß man auch von besonders leckeren Komponenten maximal drei Bissen auf dem Teller hatte, wie zum Beispiel beim sogenannten Hauptgang, dem drei Zentimeter (!) breiten Stückchen Lammrücken an einem (!) Raviolo. Bevor ich bei dem die Füllung richtig erschmeckt hatte, war er auch schon – ganz vorsichtig in mehreren Häppchen – aufgegessen…

Mir war es insgesamt zu verfummelt, dieses Essen. Zu viel Gedöns und Getue, zu wenig Klarheit in der Köstlichkeit. Aber das ist natürlich nicht zuletzt eine Sache persönlicher Vorlieben.

Der Service bekommt von mir mehrere Punktabzüge. Das durchgehend viel zu schnelle Französisch der Bedienung, obwohl sie direkt merken konnte, daß einer von uns schlecht hört. Eine brombeerfarbene Würzbutter, von der man auch auf freundlich-neugierige Nachfrage nicht erklärt bekam, was drin ist. Die auffallenden Sneaker und der volumige Bart des beanzugten Kellners, die stilistisch überhaupt nicht zum propagierten Selbstverständnis des Hauses passten. Oder daß zwei Leute denselben unkaubaren Rest auf dem Teller des Hauptgerichtes zurückließen (der Lammrücken war ganz offensichtlich nicht sorgfältig pariert worden) und daß darauf in keiner Weise eingegangen wurde. Ach ja… Man mag das als Lust am Herumkritteln abtun, aber je teurer uns ein Essen verkauft wird, desto mehr achten wir natürlich auch auf die Details, liebe Gastronomen. Anspruch erzeugt Anspruch.

„Mehr Sein als Schein“ schreibt sich das Manoir de Lébioles in sein Credo.
Mehr Hybris als Realitätssinn, denken wir.

Jedenfalls sind wir nach dieser doppelt enttäuschenden Erfahrung – das Essen mit zu viel Chichi und das Bett mit zu wenig Widerstand – heute morgen abgereist. Unser Silberhochzeitswochenende hatten wir uns perfekter und genussvoller vorgestellt, doch nun gehen wir einfach heute abend in Aachen schön essen und feiern damit unser auch in Krisen stabiles Wir.

Stay tuned…

 

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