Das fragte mich vor kurzem ein lieber Bekannter und stürzte mich damit unwissentlich in einen ganzen Strudel von Bildern und Gefühlen. Was für eine Frage!

Als ich Kind war, waren meine Eltern noch sehr jung – sie waren in ihren Zwanzigern – und feierten oft und gerne, damals in den 1960ern waren das vor allem Parties zuhause mit Plattenspieler, Salaten und Bowle. Und sie tanzten die Nächte durch, waren ein sehr attraktives Paar – das Tanzen hat bei ihnen immer geklappt, egal, wie düster es in ihren Herzen gerade füreinander aussah. Es war schön, sie tanzen zu sehen, und es gehörte zu meiner Vorstellung eines glücklichen Paares. Auch ich fand es immer toll, mit meinem Vater zu tanzen, er hatte ein ausgezeichnetes Rhythmusgefühl und vor allem konnte er führen – beim gemeinsamen Tanzen so wichtig. 

Ungefähr im zweiten Schuljahr wurde ich aber erst einmal beim Ballett angemeldet – bei Leonie Renoldi, das war damals die Ballettlehrerin in Aachen. Wobei das sogenannte Ballett kindlicher, zur Elfe nicht geborenen Anfängerinnen sich nicht wie Tanzen anfühlt, sondern wie eine endlose Disziplinübung mit Klavierbegleitung. Meine Mutter jedenfalls erhoffte sich, Ballett würde gegen mein Hohlkreuz wirken. Hat es? Hatte ich überhaupt eines? Keine Ahnung… Aber mich aufrecht zu halten, das fällt mir bis heute nicht schwer.

Durch Frau Renoldi, die damals auch das Tanzgeschehen des AKV – das ist der Verein mit dem „Orden wider den tierischen Ernst“ – unter sich hatte, landete ich als Neunjährige in der Kinder-Prinzengarde und marschierte und gardetanzte erst einmal vier Jahre lang während der „fünften Jahreszeit“ durch die Karnevalssäle der Region. Das machte mir Riesenspaß, war aber auch, mit Proben ab September, vom Aufwand her gar nicht so ohne. Das Ende der Gardezeit beendete dann auch meine eher leidenschaftslose Ballettzeit und für einige Jahre wandte ich mich hauptsächlich der Reiterei zu. Quasi eine klassische Mädchenlaufbahn…

Als wir uns dann, wie in jener Zeit üblich, als Schulklasse zur Tanzschule anmeldeten – Heyden-Schnitzler am Dahmengraben, erster Stock, ganze Schüler-Generationen Aachens sind dort ein- und ausgegangen –, entdeckte ich den Standardtanz und „Latein“ für mich. Ach, wie schön! Das ging ja außerdem viel schneller, bis es sich wirklich wie Tanzen anfühlte… Quickstep, Slowfox, Jive, Rumba und Tango sind bis heute meine Favoriten. Ich blieb dem Tanzen auch nach meinem ersten Kurs treu, was mir in der Schule häufig freundlichen Spott einbrachte, ich sprang immer gerne ein, wenn in einem Kurs eine Tanzpartnerin fehlte – durch die Technische Hochschule hatte das jüngere Aachen lange einen Männer-Überschuß –, und folgte der Tanzschule auch, als sie an die Heinrichsallee umzog.

Ein paar Monate vor meinem Abitur war das Tanzlehrer-Ehepaar plötzlich schwanger, eine Vertretung für ein Jahr wurde gebraucht und das war meine Chance auf ganz was Ungeplantes! Ich würde diese Vertretung sein – zumal ich, eine Abiturientin mit knapp unter 18, sowieso noch nicht recht wusste, was ich beruflich machen wollte. Eine ziemlich arbeitsame Zeit brach an, Schule und lernen fürs Abi, daneben Training in der Tanzschule, um auch für die Fortgeschrittenen-Kurse gut genug zu sein. So war ich von Sommer 1977 bis Sommer 1978 eine sehr glückliche Ersatz-Tanzlehrerin und natürlich auch tänzerisch sehr verwöhnt. Denn mit keinem Mann danach in meinem Leben konnte ich je wieder so gut tanzen wie mit meinem damaligen „Chef“…

Ich musste dann aber sowieso ungefähr zweiundzwanzig Jahre Geduld haben, bis das Schicksal mir einen „eigenen“ Mann in mein Leben schickte, der gerne tanzt. Auch wenn die Gelegenheiten ja seltener werden… Wir tanzen mit Freude auf den wenigen großen Festen, da tanze ich ansonsten auch sehr gerne allein vor mich hin, wenn die Musik meinen Geschmack trifft – ich bin tagesform-abhängig flexibel, aber grundsätzlich „Generation Supertramp“ – und der DJ gerade mal ein verständiges Herz für die ü50er hat, und besonders schöne Gelegenheiten zum fröhlich-beschwingten Tanzen als Paar haben der baM* und ich immer dann, wenn wir einen großen Ball mit einer Big Band besuchen, was meist in Köln der Fall ist. Und ganz, ganz manchmal mache ich mir meine Playlist „Tanzlust“ auf die Ohren und tanze nachts im dunklen Wohnzimmer ein bißchen vor mich hin – aber das weiß nicht einmal der Schatz.

Ja, ich tanze gerne! Es ergibt sich nur nicht mehr ganz so häufig und gute Tänzer sind außerdem eine rare Spezies… Doch wo auch immer wir eingeladen sind – wenn ich nicht genau weiß, was für ein Abend uns erwartet, greife ich automatisch zu Schuhen, in denen ich tanzen könnte. Ja, tatsächlich noch am fast letzten Abend vor dem Anti-Corona-Kontaktverbot tanzte ich auf dem Geburtstagsfest eines Freundes. Es war ein 60ster, da passte die Musik zu auch meinem Lebensgefühl. Ein schöner Moment.

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