Dieser Begriff in seiner Abstrusität ist definitiv mein persönliches Rumpelstilzchen der Woche. Ich krieg mich überhaupt nicht mehr ein, sozusagen. Auf facebook habe ich mich ein paar Tage lang in eine (für facebook-Verhältnisse) relativ inhaltsreiche Diskussion verstrickt. Und nun möchte ich auch hier diese Erdbeerwoche nicht ganz unbesprochen lassen.
Da beginnen zwei Wienerinnen im zarten Alter von knapp 30 ein in der Intention sicherlich ehrenwertes Start-up (nachhaltige Frauenhygiene-Artikel), begeben sich aber namenstechnisch weit zurück in eine vermeintlich überwundene Vergangenheit und nennen das Unternehmen verklemmt-verniedlichend Erdbeerwoche. Mit wichtigem ®, damit es auch bloß kein anderer benutzen kann! Und verpassen dem albernen Begriffsmist obendrein auch noch ein Logo, das ich erstmal wieder aus dem Kopf kriegen muß, um unbefangen in eine Erdbeere beißen zu können.
Ich gebe es zu, als ich vorgestern zum ersten Mal „Erdbeerwoche“ las, dachte ich tatsächlich spontan an jahreszeitlich passende Küchenrezepte… Doch mitnichten, Irrtum, es ging um das „Tabu“ der weiblichen Periode. Was für ein Tabu denn bloß? Hä? Also, in meinem Umfeld gab es noch nie Männer und erst recht keine Frauen, die bei dem Satz „Ich habe meine Tage“ irgendwie peinlich berührt waren. Normaler Fakt, kein Ding.
(Unvergeßlich – die Anekdote muß an dieser Stelle sein – mein längst Ehemaliger, der an einem fröhlichen Abend in unserer Stammkneipe rundging und die anwesenden Frauen befragte, ob sie vielleicht einen Tampon für seine Freundin hätten, denn die sei gerade von ihren Tagen überrascht worden. Das war in den 80ern und beim Begriff Erdbeerwoche wäre der vollbesetzte „Insulaner“ unisono in schallendes Gelächter ausgebrochen.)
Angeblich haben die beiden Existenzgründerinnen den albernen Begriff als „in Deutschland gebräuchlich“ verortet – also, ich zum Beispiel habe den bis vorgestern noch nie gehört, meine Freundinnen und mein frauenerfahrener Mann auch nicht. (Da war wohl zu wenig Geld für eine klitzekleine Marktforschung da?) Und wenn ich den Text unter Das letzte Tabu lese, dann fühle ich mich wie in den 50ern oder 60ern aus der Zeitmaschine gefallen. Aber nein, diesen Text setzten 32-jährige Frauen im Jahr 2016 in die Welt! Und „ohne Scham“ sollen wir sein, es dann aber Erdbeerwoche nennen? Sorry, da muß ich fast grinsen… Wenn es nicht so traurig wäre, so steinzeitlich, so rückschrittlich.
Das ist es auch, was mich daran hauptsächlich so sehr aufbringt und weshalb es mir nicht am Erdbeerfeld vorbeigeht – für was haben wir Alice-Schwarzer-bewegten Frauengenerationen gelesen, geschrieben, diskutiert und demonstriert, wenn jetzt die jungen Frauen all unser Engagement und die durchaus erzielten Erfolge für bankrott erklären, indem sie meinen, den ganzen Diskurs von vorne beginnen zu müssen?!
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Kurz (ICH! Aber für lang wär mir die Zeit zu schade):
1. Das Logo ist ein Fliegenpilz im Stadium der Jungfräulichkeit.
2. Die Periode zu haben sei eine „mysteriös namenlose Sache“. Versteh ich nicht. Ist aber vielleicht so was wie die Sache mit der Jungfrauengeburt.
3. Im Text steht auch, dass das, was Frauen da jeden Monat „passiere“, eine „seit Menschen Angedenken existierende Sache“ sei.
4. Da war mir klar: Die Menschheit ist aus Sicht der Betreiberinnen dieser Seite sowieso schon ausgestorben. Sonst gäbe es nämlich kein „Angedenken“.
5. Und da ist ist es dann auch nicht weiter schlimm, dass ich den Begriff „Erdbeerwoche“ noch nie zuvor gehört habe.
Ne ne ne!
Fast sprachlos aber herzlich
Maria
Hallo!
Mir (Jahrgang 1955) ist der Begriff der Erdbeertage durchaus und schon lange geläufig. Das kann aber auch daher kommen, dass ich viel gereist bin und der Begriff bei anglophonen Frauen gebräuchlich ist. Die haben gerne auch noch andere Euphemismen dafür, die ich eigentlich ganz nett finde.
Und einen Mann/Freund, der in der voll besetzten Kneipe herumposaunt, dass ich meine Tage habe, finde ich nicht besonders toll. Schließlich würde ich es auch nicht öffentlich machen, wenn ich mir gerade in die Hose gepinkelt habe, aus welchem „normalen“ Grund auch immer. Das hat nichts mit Tabu zu tun, sondern einfach mit einem ganz normalen Schamgefühl.
Also: urteile nicht so hart über die jungen Frauen… Ist doch gut, wenn sie sich zu einem Thema, das von vielen Menschen noch als Tabu angesehen wird, so offen geäussert haben.
Ich habe auch was geschrieben zu den Erdbeertagen unterwegs. https://bambooblog.de/2014/03/25/erdbeertage-mit-tante-rosa-unterwegs/
Wenn es nicht passt, kannst Du den Link gerne wieder rausnehmen.
Beste Grüße
Ulrike
haha, das Logo war mir noch gar nicht aufgefallen!! DER BRÜLLER!!!!
Liebe Ulrike, den Link lasse ich natürlich drin, das ist doch ein interessantes Thema.
Und zur Ehrenrettung des Ex: er hat nicht „posaunt“, sondern jede einzeln freundlich gefragt, bis er Erfolg hatte – ich fand das sehr liebenswert und empathisch und hätte ohne diese Aktion auch leider viel früher nach Hause gehen müssen, als ich das eigentlich vorgehabt hatte.
Liebe Uschi,
auf den Punkt.
Ich hab mich ja auch schon auf Facebook darüber gewundert, warum man einen derart schambehafteten Namen wählt, wenn man ein Thema von der vermeintlichen Scham befreien will.
Sehr schmunzeln musste ich auch, als ich dort den Satz las „Die Geschichte der Frauenhygiene ist voller Missverständnisse…“ Hat der doch in der Kommunikation einer „konventionellen“ Tampon Marke seinen Ursprung. Und damit zitieren die Gründerinnen genau das, wovon sie sich eigentlich absetzen wollen.
Das Schöne an Worten wie „Menstruation“ oder „Periode“ ist in meinen Augen übrigens, dass sie keine Bilder aufmachen, die ich dann wochenlang nicht aus dem Kopf bekomme. Ich glaub, die Erdbeersaison ist dieses Jahr für mich gelaufen, bevor sie überhaupt angefangen hat. 😀
Herzliche Grüße
Conny
Uff! Das Wort habe ich noch nie gehört (Jahrgang 1955)! „Tante Rosa kommt zu Besuch“ fand ich schon selten dämlich und das wurde in meinem Umfeld zum Glück nicht benutzt! Allerdings fand ich die „Tage“ auch immer eher umschreibend, und das eigentliche Wort vermeidend … „Periode“ hat sich um mich herum eher durchgesetzt, und „menses“ und „Regel“ waren auch viele Jahre gebräuchlich; „Menstruation“ war immer allen zu sperrig. Meine Töchter (31 und 24 J. alt) sagen auch „ich habe meine Tage“ oder „ich blute“ („Ich blute, hast du Tampons für mich?“ … natürlich, Kind, ihr werdet ja immer noch überrascht davon ;-). )
Ich finde die Aktion vom Ex übrigens einfach nur lieb!
Erdbeertage… ich gestehe, das hat mich verblüfft, und da ebenfalls ein Kind der 70er und der Frauenbewegung musste ich kurz nachdenken, was das Wort ausdrücken soll … Ja, da kann man schon mal auf der Leitung stehen, wenn man sich nie genieren wollte für normale körperliche Vorgänge, und deshalb erst mal rückwärts denken muss… Ich finde diese (neu erwachte?) Scham, nee: Schämerei höchst überflüssig und bedenklich!
Die Bewegung hat schon so einige Rückschläge erlitten (ich sage nur: z.B. Playboy-Bunny als Schmuck! etc…), da muss der Schritt ins 19. Jahrhundert, back zu Frollein Rottenmeier nicht auch noch auf diesem Gebiet getan werden.
Übrigens zum Thema „nachhaltige Produkte der Frauen-Hygiene (gibt’s die auch für Männer, die Hygiene?): wer erinnert sich noch an die Stücke von Naturschwamm als Tampon-Ersatz? …
Noch ein „Stückchen“ zum Schluss, geschehen in den 80ern: der Prof in der Vorlesung zur ersten Reihe: „Menstruierende bitte in die letzten Reihen, ich kann Sie riechen“ – bäh, Dummbart! So jemandem wünscht man doch, er habe seinen Geruchssinn gänzlich verloren … wenn man fies genug zum Verwünschen wäre…
Ja Uschi, ich höre den Begriff auch zum ersten Mal. Schon seit Jahrzehnten ist das Thema nun wirklich kein Tabu mehr. Ich habe mich schon immer über die Tampon-Werbung „…. ist eine Geschichte voller Mißverständnisse“ kaputt gelacht.
Bei den jungen Leuten habe ich oft das Gefühl, dass sie mit großen Schritten zurückgehen.
LG Karin
PS.: Ganz lieben Dank für die Postkarte – hab mich doll gefreut
In der Regel tragen die Wikinger rote Bärte… – Das ist wenigstens noch lustig. Irgendwie…
Erdbeerwoche kannte ich nicht und geht natürlich gar nicht.
LG
Mir fällt dazu gar nichts mehr ein… Alles gesagt! :-))
Ich (1967) muss gestehen, beim Wort Erdbeerwoche war mir sofort bewusst worum es geht, obwohl es in meinem Freundes- und Familienkreis immer nur heißt “ Ich hab´die Tage “ . Meine Tochter spricht darüber mit mir nicht offen, was sie unter Freundinnen macht , weiß ich nicht. Wenn das Thema mit Scham behaftet ist ( es gibt sicherlich Frauen), dann frag ich mich wie man morgens, zwischen den Themen des Frühstückfernsehens , mit der Werbung zum Thema Erektionsstörungen umgeht. Das ist mir passiert, als ich in den Ferien mit der Sechsjährigen mal morgen o.g. Programm schaute und dann in Erklärungsnot kam. Da war ich dann sprachlos und verwies auf große Brüder – lach.
LG
Gut dass wir keine wichtigeren Themen haben wie Altersarmut, Pressefreiheit und Staatsschuldenkrise. Es lebe die Naivisierung!