“La Linea”, die stets empörte Werbefigur des heute 84-jährigen Cartoonisten
Osvaldo Cavandoli, von mir leicht zweckentfremdet, weil’s so schön passt.

 

Wahrscheinlich haben wir alle seit Beginn dieser Pandemie über uns selbst dazugelernt… Ich – 61 und zu zweit lebend – auf jeden Fall. Zum Beispiel:

Angst
Nein, ich bin auch durch das Virus kein ängstlicher Mensch geworden. Aber natürlich bin ich besorgt, achtsam und vorsichtig. Denn eins ist ja mal klar: infizieren möchte ich mich keinesfalls.

Kochen
Macht mir auch dann noch Spaß, wenn ich es viel öfter tun muß als im bisherigen Leben. Das Internet ist eine großartige Quelle für anregende Rezeptideen und es ist gar nicht schwierig, den Schrott auf chefkoch.de zu meiden. Ich liebe ja allein schon die Recherche und das Einkaufszettel-Schreiben.

Kondition
Warum nur ist alles so anstrengend, obwohl kaum was zu tun ist? So kenne ich mich gar nicht… So will ich mich auch nicht.

Konsum
Beschränkt sich bei mir im Wesentlichen auf Lebensmittel (persönlich in Läden), Küchen- und andere Gadgets (meist online), gelegentlich Beauty und Pflege (meist online, sofern ich die Produkte bereits kenne und nutze).

Langeweile
Habe ich nie. Auch nicht jetzt in dieser Krise. Im Gegenteil, ich finde es toll, Zeit für Dinge zu haben, zu denen ich so oft nicht gekommen bin. Mehr Kür statt nur Pflicht.

Nähe
Ich vermisse es so sehr, meine Lieben – Mutter, Geschwister, andere Lieblingsmenschen – mal in den Arm nehmen zu können. Ich vermisse es hingegen überhaupt nicht, im Verein von jedem höflichkeitshalber gebussit zu werden.

Nähen
Ich habe endlich wieder damit angefangen, statt nur Änderungsschneiderei “richtige” Sachen zu nähen, und das ist sooo befriedigend.

Paar
Es läuft gut zwischen uns. Keine gesteigerte Gereiztheit, wir streiten genauso selten und wegen derselben Nichtigkeiten wie vor Corona, wir sind liebe-voll und aufmerksam und lachen viel miteinander. Wir haben als Paar ganz offenbar wirklich eine solide Basis und das macht mich sehr glücklich.

Positive Grundhaltung
Die bleibt mir auch nach diesen seltsamen fünf Monaten noch erhalten. Ich kann mich auf mein “sonniges Gemüt” ziemlich verlassen – auf diese Fähigkeit, in allem immer auch etwas Gutes finden zu können, und sei es noch so winzig. Vermutlich gehe ich manchem damit etwas auf den Wecker, aber ich kann quasi nichts dafür.

Shoppen
Brauche. Ich. Nicht.

Termindruck im Job
So ein bißchen Druck ist ganz gut, damit ich effizient “funktioniere”. Das merke ich jetzt, denn noch nie zuvor in meinem Leben war über so lange Zeit so wenig Stress.

Vermissen
Ich vermisse vor allem meine Freundinnen und Freunde und das entspannte Beisammensein mit ihnen. Sich treffen zum Frühstücken oder um an einer Theke einen Schwatz zu halten. Liebe Menschen einladen und für sie kochen. All diese eigentlich ganz normalen geselligen Dinge, die der baM* und ich so gerne tun. Umso glücklicher bin ich über gutes

Wetter
und angenehme Temperaturen, die uns erlauben, uns wenigstens auf Terrassen, in Gärten oder sonstwie draußen mit anderen zu verabreden – sobald es Herbst und kühl und regnerisch wird, kommt wahrscheinlich das Social Life aller Vernünftigen wieder zum Erliegen.

Zeit mit mir allein
In meiner Situation – so viel Zweisamkeit ist sonst nur im Urlaub – momentan so gut wie nicht zu haben… Ist mir aber tatsächlich enorm wichtig und brauche ich regelmäßig. Tja.

Zorn
Ich bin oft zornig in dieser Zeit. Auf gedankenlose Idioten, die mir ohne (oder auch mit) Maske zu nahe kommen. Auf Bekannte, die sich als Corona-Anzweifler entpuppen. Auf alle, die glauben, die Pandemie sei vorbei und man könne wieder Strände dicht an dicht bevölkern. Auf Trump als Gesamtkatastrophe. Auf Scheuer und ähnliche Gier-Typen in unserer eigenen Politiklandschaft. Auf die pausierende Aufmerksamkeit für das Klimathema. Auf diese nervige Zeit, in der fast nur noch schlechte Nachrichten an der Tagesordnung zu sein scheinen.

2020
Ich habe schon immer ein liebevolles Verhältnis zu “schönen” Zahlen und Ziffernfolgen. Deshalb bin ich fast traurig, daß sich im Zusammenhang mit der schönsten Jahreszahl seit 2000 ein so doof zu durchlebendes Jahr in unser aller Gedächtnis gräbt.

Nicht wissend, wie lange unser aktuelles Normal noch dauern wird, wollte ich diese kleine Bestandaufnahme jetzt einmal aufschreiben, das hilft nämlich irgendwie beim Ver- und Durchstehen… Ich nehme an, das wird nicht mein letzter Krisen-Status bleiben.

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