Jede von euch, die Nutella frisst, macht sich mitschuldig am afrikanischen Elend, denn Ferrero kauft Schokolade aus Mali, die von kindersklaven angebaut wurde. Aber sowas will ja keine hören…
— Hilgerlicious Blog (@katrinhilger) June 30, 2018
Dieser Tweet, einer von unzählig vielen, die uns das Essen von nahezu Allem – aus jeweils guten Gründen – vermiesen sollen-wollen, brachte nun mein inneres Toleranz-Fass für moralinsaure Anklagen zum Überlaufen.
Schuld ist immer, immer, immer der Endverbraucher. Ach ja?!
Bei Nutella (die ich selbst überhaupt nicht konsumiere) greift ja immerhin der übliche Vorwurf der Billig-Mentalität nicht, auf die sonst so gerne als Grund allen Übels zurückgegriffen wird. Denn Nutella ist ziemlich teuer. (Im übrigen wird Schokolade nicht angebaut, aber ich will jetzt hier nicht haarspalterisch werden – denn die Schreiberin des wütenden Tweets ist eine von mir eigentlich sehr geschätzte Bloggerin.)
Selbstverständlich haben wir Verbraucher es in der Hand, welche Preise wir zu zahlen bereit sind und welche unterschiedlichen “Produktions”wege wir damit den Erzeugern von Lebensmitteln ermöglichen! Das ist für mich eine nachvollziehbare Logik, nach der ich in meinem persönlichen Einkaufsverhalten genauso lebe wie auch nach der äußerst schwierigen, selbstauferlegten Regel, Plastik zu vermeiden. Will sagen: ich mache es mir nicht leicht, ich denke – auch beim Einkaufen.
Aber wenn zum Beispiel ein Unternehmer im fernen Taka-Tuka-Land seine Arbeiterinnen und Arbeiter mega-mies behandelt (pfui, Unternehmer!) oder es in Mali offenbar ungestraft möglich ist (pfui, Legislative!), Arbeit von Kindersklaven machen zu lassen (pfui, Unternehmer!), dann hört es für mich auf, daß ich mir – als möglichst klug handelnde Hausfrau hier im kleinen Aachen, auf das Angebot von Bauernladen und Supermarkt fokussiert – diesen Schuh anziehe. Jawohl.
Denn auch gesetzgebende Regierungen haben eine Macht über die Produzenten von Lebensmitteln – sollten sie zumindest haben – und erst recht haben die jeweiligen Konzerne und Unternehmer eine Verantwortung für ihr Handeln gegenüber den Menschen, die für sie arbeiten, gegenüber dem Produkt und auch gegenüber dem Endverbraucher! Dieses Verantwortungsgefühl, dieser Respekt, diese unternehmerische und menschliche Ethik – das sind Haltungen und Grundsätze, die der Welt abhanden gekommen sind…
Und dann sollten vielleicht nicht Endverbraucher mit dem Finger auf andere Endverbraucher zeigen, sondern wir uns alle gemeinsam darum kümmern, daß wir nicht mehr andauernd so grandios verarscht werden?
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Genau – und wie genau geht dieses “Kümmern“? Richtig: aufklären, anprangern, Druck ausüben, boykottieren … eben Nicht-Mitspielen. Mit reiner Empörung richten wir (die Endverbraucher) nun mal nichts aus. Da muss es die “Verantwortlichen“ schon da treffen, wo es am meisten wehtut: am Geldbeutel. Ich erinnere gerne an den Banken- und Fruit-Boykott gegen Apartheid. Natürlich war das nur eins von vielen Widerstandsmitteln – welches aber deutlich die Nichtakzeptanz der restlichen Welt gezeigt hat. Für das Regime damals ein echter Imageschaden. Der die Geschäfte empfindlich störte … In diesem Sinne: Genuss ohne Reue!
Ja, boykottieren – grundsätzlich d’accord! Ich kann es nur nicht leiden, immer und immer und immer wegen was Neuem angeprangert zu werden. Das ist mir zu konfrontativ, statt über gemeinsame Möglichkeiten der Wirksamkeit nachzudenken.
Ein “die sind aber auch Schuld!” hilft aber keinem. Der Endverbraucher ist nun mal der, der ein Statement und eine Wahl mit dem Geldbeutel trifft. Wenn ich dann sage, die betroffenen Länder und Unternehmen sind auch schuld, hilft es weder Umwelt, noch den betroffenen Menschen. Aber gut, wenn man sich so sein Gewissen schön reden kann….
Ich will mir nichts “schönreden”, aber keine Medaille hat nur eine Seite. Und man darf ja auch mal realistisch bleiben: bei dem äußerst geringen Kakao-Anteil, den Nutella nur hat, wird es sehr, sehr, sehr lange dauern, bis die Kakao-Produzenten in Mali einen hiesigen Nutella-Boykott überhaupt bemerken.
Du musst dir diese Schuhe ja nicht anziehen, wenn du keine Ferrero-Produkte konsumierst. Die Frage ist, wie man die Unternehmen und Regierungen sonst darauf aufmerksam machen kann, wenn nicht als Verbraucher. Ein anderer Weg wäre ja z.b. selber in die Politik zu gehen oder in verschiedenen Organisationen aktiv zu werden. Aber das machen die wenigsten. Verbraucher aufzuklären und sie zu warnen ist ein einfacherer Weg und jeder kann trotzdem selber entscheiden, ob er das Produkt immer noch möchte oder nicht. Klar, die Wortwahl ist im Tweet nicht sehr nett, aber der Vorwurf, dass Verbraucher auf Verbraucher einreden ist für mich der einfachste Weg um etwas zu bewegen.
Ich ziehe mir die Schuhe ja auch nicht an. Ich bin nur – falls im Blogpost nicht klar genug ausgedrückt – genervt von dem ewigen Angeklagtwerden als Endverbraucherin. Nutella ist hier doch nur der Stellvertreter für eine allgemein um sich greifende Dauer-Attitüde der selbsterklärten Weltverbesserer, gegen die ich mich – ebenfalls ganz allgemein – wehre.
Und diese Meinung möchte ich auch äußern, ohne daß ich gleichzeitig eine rechtfertigende Liste meiner persönlichen Weltverbesserungs-Maßnahmen hinzufügen muß – damit mancher kapiert, daß ich es sehr wohl kapiert habe, auch wenn ich die alleinige Schuldzuweisung an den Endverbraucher ablehne.
Naja es geht nicht nur um Nutella, sondern anscheinend um alle Ferrero-Produkte und die bestehen größtenteils aus Schokolade. Das kann man leider nicht von der Hand weisen.
Ich fresse nicht, ich esse. Mein Mund ist demnach also unschuldig trotz täglichen Nutellakonsums.
Du , der Einzelne , bist verantwortlich. Dadurch sind unsere GEWÄHLTEN Regierungen exkulpiert ( also fein raus) . Wofür wählen wir noch, wenn JEDE Entscheidung, mein Versagen, meine Verantwortung, meiner Recherche bedarf ?
Naja, bei den Mengen an Nutella, die konsumiert werden, fällt das bestimmt trotzdem auf. Das läppert sich! Außerdem apelliere ich auch an alle Verbraucher, nicht die Augen zu verschließen und Alles ‘denen da oben’ zu überlassen. Ich glaube daran, dass letztlich die Verbraucher mit ihrem Geld entscheiden. Auch darüber, was die Hersteller tun oder lassen. Was man uns Allen letztlich vorwerfen kann ist, dass es uns eigentlich scheißegal ist und wir uns damit gar nicht befassen wollen, weil es unangenehm ist.
Viele Grüße, die Alex